Das Kiwiernten ist für mich wohl beendet. Der Wetterbericht sagt für die nächsten 10 Tage feuchtes Wetter voraus. Nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht total trocken. Dann wird nicht geerntet und ich habe wenig Lust, hier wochenlang auf dem Campingplatz zu sitzen und zu warten um dann die letzten 2 Orchards fertigzuernten. Die meisten Plantagen sind durch mit dem Ernten, die anderen Picker von anderen Firmen haben größtenteils schon ein paar Tage vor mir aufgehört, mehr als ein paar Tage ernten gibt es ganz sicher nicht mehr. In 65h ca. 1300$ verdient zu haben, hört sich im ersten Moment viel an (immerhin ein Stundenlohn von 20$), aber wenn man die Ausfallzeiten wegen Schlechtwetter und das Buckeln hier bedenkt, ist es kein ‚gut verdientes‘ Geld. Meine Meinung. Ganz eventuell habe ich Glück und kann ein paar Tage beim Winterschnitt mitmachen, wenn der bei dem feuchten Wetter vielleicht trotzdem läuft. Im Anbetracht de Tatsache, dass ich ein bisschen mehr Geld gut gebrauchen könnte, würde ich das gerne machen. Aber eben nur, wenn das bei feuchtem Wetter stattfindet, 10 Tage darauf warten werde ich nicht. Und sagen tut es mir bisher noch keiner, Organisation und Planung sind hier nicht die großen Stärken.
Was mich die Kiwizeit gelehrt hat:
- Der Körper kann mehr, als man denkt
- Französisch. In der Zeit hier habe ich mehr Französisch als Englisch gehört (und wiedergelernt)
- Maori sehen sich (oft) gern als Gangster
- Die meisten Saisonarbeiter hier kommen aus Indien
- meine 2,5Jahre im HaDiKo haben mich fürs Leben gelehrt, wie man in versauten Küchen kocht
- zuviel Kiwis ‚vom Baum‘ zu essen gibt Zahnweh
- Rückenweh vom Schleppen? Gras hilft. Müde? Gras hilft. Hungrig? Gras hilft. 10 Tage am Stück gearbeitet? Gras hilft. Bezahlen? Muss keiner, gesteigerte Arbeitkraft kommt ja dem Team zu Gute…
- Papiertaschentücher sind was höchst deutsches – jede andere Nation kommt ganz prima ohne Hilfsmittel aus
- Steuererklärung für Neuseeland machen ist besser als für Deutschland, aber immernoch ätzend
- die Bay of Plenty ist ein guter Platz zum ‚Überwintern‘ – tagsüber oft Sonne und 18,20 Grad, frisches Obst und Gemüse satt. Wer über den Winter in NZ bleibt, kann hier arbeitend und Geld sparend eine angenehme Zeit verbringen
Da hab ich doch tatsächlich 2 wichtige Sachen vergessen, die muss ich nachtragen… 😉
- Wie ich eine Kiwi ohne weitere Hilfsmittel in 10 Sekunden aus der Hand esse – nicht schön, aber effektiv. 😁
- Eine einmal gegebene Adresse oder Anfangszeit ist 0,0 wert, so lange man nicht mit seiner bag auf der Plantage steht und pflückt.
Die Regentage jetzt nutze ich dazu, mir ein bisschen klarzuwerden, wie ich die letzte Zeit verbringen will – und Budgetplanung zu betreiben. 😕 Einen Abstecher in die Südsee habe ich für diese Reise wehmütig und mit schwerem Herzen ad acta gelegt. Wenn ich ehrlich mir gegenüber bin, hätte ein Abstecher jetzt eher etwas gezwungenes. Ich möchte in meinem Leben die Südsee noch sehen. Aber nicht alleine. Mit einem geplanten Zwischenstopp in Indonesien und etwas Puffer für den Verkauf von Willi neigt sich meine Zeit in Neuseeland (gefühlt) nun also schon dem Ende zu.
So erlebte ich gestern ein ziemliches Wechselbad der Gefühle. Morgens, bei der 15minütigen Stippvisite auf dem Feld vor dem Regen, haben mir Mitpflücker von ihrer Zeit in Kolumbien erzählt und ich habe ganz sehnsuchtsvoll gedacht: „ach, ich will auch wieder reisen!“. Häh? Was tu ich grad? Ganz offensichtlich ist mir mein auf-Reisen-sein-Gefühl hier ein bisschen abhanden gekommen. Liegt’s am Arbeitsalltag? An dem hohen Standard in Neuseeland? Am Wetter? Am dran-Gewöhnen? Zusammen mit dem Gefühl, hier in Neuseeland noch 1001 Dinge tun zu können (aber vielleicht zu einer anderen Jahreszeit), habe ich auch ein ‚für den Moment ist es ok mit NZ ‚-Gefühl gehabt. Also habe ich angefangen, mich gestern näher mit möglichen Zielen in Indonesien zu befassen um am Ende nochmal Strand, Sonne und Tauchen satt mitzunehmen. Ganz freudig aufgeregt habe ich mich auf die Dinge dort und auch zuhause gefreut und hab mich schlafen gelegt. Um dann stundenlang wach zu liegen und traurig zu denken: Aber ich will nicht gehen! Aber ich will Willi gar nicht verkaufen! Aber! Aber! Aber! Hach, es ist nicht einfach mit so viel Freiheit… 😉
Den morgigen, nochmal sehr nassen Tag werde ich wahrscheinlich nochmal in Tauranga beim Bummeln und Baden in heißen Salzwasserbecken verbringen. So für Körper und Seele. Und Willi bekommt auch mal ein Bad und eine Wachsbehandlung, so als langsame Vorbereitung. Ich habe den Eindruck, er altert wöchentlich…
Und ansonsten werde ich es ganz traditionell halten:
Mir wärre sähne, het seller Blind‘ gsait.
Ja Hallo, das sind neue Töne!
-Französisch? – Arnaud wird sich freuen – und sich evtl. über deinen „Akzent“ wundern
-auch noch Zahnweh?
-Gras als Allheilmittel? – erzähl das ja nicht deinen jugendlichen Verwandten!
-Reiseendeplanung – ich seh Papa und Oma um die Wette strahlen
– wenn auf der Reise/im Urlaub das „zu-Hause-Gefühl“ kommt wird es Zeit aufzubrechen
Bis „bald“ zu Hause Mama