wwoofing auf der Hihiroroa Station

Während ich hier am Küchentisch sitze, euch diese Zeilen schreibe und eine Tasse Schwarztee mit Milch (man gewöhnt sich da dran, gar nicht so schlecht…) trinke, springt ein kleines Lämmchen um mich herum und määääähhhhhht mich an. 🙂

image
Letzten Freitag bin ich von Richard, meiner letzten wwoofing-Stelle, weggefahren. Der Plan war, einen neuen WOF (neuseeländischer TÜV, meiner läuft Ende des Monats aus und ich dachte, mit neuem WOF kann ich es besser verkaufen) für Willi zu holen, einen schönen Tag in Gisborne zu verbringen und am Samstag nach einem weiteren Besuch auf dem Farmer’s Market gemütlich loszufahren. Es kam ein bisschen anders als gedacht, zuerst habe ich den WOF nicht bekommen: die vorderen Stoßdämpfer sind zu schwach, alleine die Ersatzteile liegen bei 400$, mit Einbau 500-600$. Hmpf. Und während ich dann da saß und ein bisschen verzweifelt und unentschlossen war, hat mich eine angerufen, der ich eine Woche vorher eine Mail geschrieben hab wegen einer wwoofing-Stelle. Eine Stunde später haben wir uns getroffen und ich bin spontan mit ihr mitgefahren, ca. 35km von Gisborne entfernt auf eine Farm. Mit dem Wissen, dass ich entweder nochmal richtig Asche ins Auto investieren muss oder eben mit einem fast ausgelaufenen WOF weniger dafür bekomme und dass die nächsten Tage wettertechnisch eh ziemlich scheiße werden, fiel mir die Entscheidung hierher zu kommen nicht sonderlich schwer.
Der Ehemann Hamish war bis Dienstag weg, der 16jährige Agrarschule-Schüler Jake, der hier in den Ferien aushilft, bis Sonntag Abend weg, so dass ich die ersten Tage mit ‚Ang‘ alleine war.
Was ein Unterschied zu meinem letzten wwoofing!! Vom ersten Ankommen auf der Farm an nahm sich Ang Zeit für mich, erklärte, zeigte und ließ mich selber machen.
Gerade bekommen die Schafe Lämmchen, so dass eine Aufgabe ist, jeden Tag die Weide, auf denen die Schafe mit Drillings-Lämmchen sind, abzulaufen auf der Suche nach toten Schafen und eventuell überlebenden Lämmchen. So auch am Freitag gleich nach der Ankunft. Tatsächlich haben wir ein totes Schaf gefunden, von deren 3 Lämmchen eines noch lebte. Schnell haben wir das kleine, kalte, magere, stinkende Ding eingepackt und sich nach Hause, wo meine Aufgabe war, es vor dem Feuer auf dem Boden warmzurubbeln. Nach einer knappen Stunde fing es jämmerlich an zu schreien und starb mir schlussendlich unter den Händen weg… 😟 kein schöner Start. Aber das gehört wohl dazu, Farming ist halt nicht nur fröhlich in der Sonne vor sich hinspringende Lämmle…
Hier auf der Farm gibt es ca. 1600 Schafe, 400 Lämmchen sind erwartet, 500 Kühe bzw. Kälber, 4 Pferde, 5 Ziegen, 3 Haushunde, 8 Arbeitshunde (Hütehunde), 1 Katze, 4 Hühner.
Die Lämmer sind übrigens für den britischen und europäischen Weihnachtsmarkt bestimmt…
Die Arbeitstage haben meist so ausgesehen: aufstehen halb 7, Tee, Waisenlämmchen füttern, mit Tagesanbruch kurz nach 7 auf die Weiden und mit dem Bulldog die verschiedenen Stellen mit Vieh anfahren und füttern (2-3 Heuballen je Morgen, der Bulldog hat vorne Greifzangen zum Heben der imageHeuballen und hinten eine Vorrichtung, auf die man die Heuballen legt und dann werden die quasi abgewickelt), Frühstück, Lämmchenweide kontrollieren, Mittagssnack, Schafe treiben von einer Weide zur anderen, ein bisschen Hausarbeit, Abendessen. Zwischendurch immer mal wieder den Lämmchen die Flasche geben, so alle 4h. Inzwischen haben wir hier 3 Waisenlämmchen, 2 waren schon da, als ich kam, und eines haben wir dann noch gerettet (das hat aber ein bisschen Atemprobleme, deshalb ist es jetzt mal für einen Tag drinnen und springt, nach einem kleinen Zwischenfall mit einer Babywindel ausgestattet, hier rum).
Lustig ist, wie wir das Lämmchen gerettet haben: Ang gab mir einen ca. 2m langen Holzstab, sie nahm einen Metallstab mit Haken am Ende. Dem Lämmchen näherten wir uns von zwei Seiten, mit den Stäben sollten wir verhindern, dass es Reißaus nimmt – es also mit dem Stab umwerfen und zu Boden drücken, bis wir es greifen können. Ich war einigermaßen entsetzt, was ich dem armen, neugeborenen Lämmchen zumuten sollte und Ang hat mir das offensichtlich angesehen. Naja, das Argument „entweder das, ode es stirbt hier draußen“ hat mich überzeugt… Jedenfalls war es dann nicht nötig, wir näherten uns so weit es ging und Ang fing an zu mä-en – und das Lämmchen lief freudig auf sie zu!
Meine Arbeit bestand darin, Ang zu begleiten und Hilfsarbeiten zu übernehmen wie Gatter öffnen und schließen, auspacken der Heuballen, verteilen des Heus in netten Linien, damit die dummen, dummen Kühe nicht alles über den Haufen trampeln, Ablaufen der Lämmerweide usw. Mittags bei den Schaftreibereien habe ich entweder das Quad durchs Gelände gefahren (von da, wo Ang mit den Schafen startete bis dort, wo sie sie haben wollte) oder mit einem der Hunde die Herde geholfen in eine bestimmte Richtung zu treiben (wobei zugegebenermaßen mein einziger Beitrag war, den Hund an die richtige Stelle zu führen und ihn dann mit „speak! speak! speak!“ zum Bellen zu bringen). Das Quad fahren war ziemlich cool, auch wenn ich ganz schön Herzklopfen im Gelände bekam: ich bin solche Lenker nur auf 2 Rädern gewohnt und wenn ich dann ziemlich langsam in Schräglage mit eingeschlagenem Lenker fuhr, hat mein Instinkt gesagt: ’neinneinnein, gleich fällst du um!‘. Passierte natürlich nicht, hatte ja 4 Räder… 😉
Ang ist eine ziemlich verplante, unkomplizierte, fröhliche Frau, Mitte 50 mit einem großen Herz. Hamish habe ich nicht so recht kennengelernt, dadurch, dass ich mit Ang am Anfang alleine war und als er dann da war, sein Sohn Rocco mit dabei war. Den hat er mit einer anderen Frau, Ang und er waren für 5 Jahre getrennt und er hat da dann mal schnell noch ein Kind mit einer anderen gemacht. Rocco ist jetzt 7 (die beiden gemeinsamen Kinder sind außer Haus und um die 30) und das Paradebeispiel eines verzogenen Einzel-und Trennungskind. Am seinem Ankunftstag hatte er Geburtstag und ich habe ihm einen Geburtstagskuchen mit Fußballmuster gebacken (Fußball mag er nämlich lieber als Rugby).image
Der Alltag hier ist bunt, mitunter laut, ziemlich chaotisch und die vergangenen Tage ziemlich matschig. Für mich ist ziemlich interessant zu sehen, wie so ein Alltag funktionieren kann, ohne eine echte Ordnung oder System zu haben. Ich mein, die Abläufe sind theoretisch immer die selben, aber Ang schafft es doch immer wieder, Chaos zu verbreiten und am Ende mit einem guten Ergebnis dazustehen. 😄 Heute kam ich vom Füttern der Zwillingslämmchen zurück ins Haus um Angie auf allen Vieren im Haus herumkrabbeln zu sehen. Erklärung: das Babylämmchen, das innen ist, soll sich unter Artgenossen und wohl fühlen. 😂
Was toll ist, ist, wie Ang mit mir umging, ich fühlte mich in kürzester Zeit tatsächlich wie eine Art ‚Familienmitglied‘. Ich denke, für sie ging es in erster Linie darum, jemanden für die Tage zu haben, in denen Hamish nicht da war. Ich fühle mich ein bisschen ’schuldig‘, ich bin mir nicht so sicher, ob ich hier tatsächlich eine große Hilfe war. Ich versuchte, zu helfen, wo ich konnte, aber ich hatte keinesfalls den Eindruck, dass der Laden ohne mich nicht laufen würde. 😉 Ich habe hier ziemlich gut (und viiiieeeel zuviel…) gegessen, auch mal ein Glas Wein oder ein Bier getrunken und mich sicherlich nicht überarbeitet. Ich hoffe, für sie hat es sich auch gelohnt, für mich war es auf jeden Fall eine tolle, interessante Zeit auf einer echten neuseeländischen Farm. In Gummistiefeln und ziemlich guten Outddorzeug auf dem Quad zur Schafweide fahren: Näher werde ich meinem Kleinmädchentraum von einem Leben als Bäuerin wahrscheinlich nicht mehr kommen.

Jetzt bin ich wieder auf dem Weg nach Tauranga und dann weiter nach AKL. Meine Befürchtungen, dass ich auf der Farm nicht so hilfreich bin, haben sich auch nicht bestätigt, Ang hat ziemlich oft betont, wie froh sie war, mich dazuhaben und wenn ich auf einer Farm eine Stelle suchen sollte: ich wüsste, wo sie sind. 😄
In 10 Tagen geht mein Flieger und ich bin hin- und hergerissen. Ich bereue nicht die zwei Wochen, die ich hier früher gehe, aber ja… Paulas Job-Sharing-Angebot fühlt sich immernoch verlockend an, ein paar Wochen/Monate auf der Farm wären toll und jetzt kommt der Sommer hier…
Ich weiß, dass das, was ich da gerade spüre, nicht alles ist – ich freue mich auch total auf zuhause, aber wie unmittelbar vor meiner Abreise die Zweifel überwogen, ist jetzt gerade ein kleines bisschen die ‚Trauer‘ aktueller, dieses Abenteuer fast hinter mir zu haben. Ich bin jedenfalls froh um die paar Wochen Indonesien, in denen ich gefühlsmäßig sicher nochmal ein bisschen Abstand zu NZ bekomme, das Kapitel gut abschließen kann und mich dann einfach nur noch auf euch alle freue!

Ein Gedanke zu „wwoofing auf der Hihiroroa Station

  1. Hey Mädel, wusste gar nicht dass du mal Bäuerin werden wolltest? Pferde ja – aber dafür richtig auf dem Hof arbeiten? Na ja jetzt hast du es ja ausprobiert – wenn auch mit anderen 4-Beinern!Wenn du dann zurückkommst kannst du in deinem Lebenslauf für die Bewerbungen weitere „Berufe“: Weinbauer, Obstbauer, Schafbauer………hinzufügen 😉 Wir freuen uns auf dich – nur noch 1 Monat!
    bis bald Mama

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert