Die Diva Taranaki

Am Freitag wollte ich mich dann ganz zeitig auf den Weg machen. Das Visitor Center auf ungefähr 1000m am Fuß des Vulkans öffnete um halb 9, da wollte ich oben sein, um mein Hüttenticket zu kaufen. So weit der Plan. 😉

Zuerst bin ich nicht wie geplant um 7 aufgestanden (da war noch stockdunkle Nacht!) und dann hat das Packen natürlich länger gedauert als gedacht. Aber dafür habe ich alles in mein kleines 18l-Daypack bekommen! Ich musste wild wegrationalisieren (Topfgriff? Geht ohne! Abgeschraubt!), der Schlafsack wurde oben drauf geschnallt, der Reißverschluss musste einiges aushalten, aber es ging! Unterwegs musste ich New Plymouth passieren und da mir Tobias, als wir gemeinsam dort waren, eine französische Bäckerei mit leckeren Croissants gefunden hat, wollte ich da natürlich nochmal ankehren. Was zur Folge hatte, dass ich mich in New Plymouth mit seinen Einbahnstraßen für 20min verfahren habe. Kurz bevor ich entnervt aufgeben wollte, habe ich es geschafft, in die Straße einzubiegen und einen Parkplatz zu ergattern. So war ich erst um kurz nach halb 10, aber mit Croissant im Bauch, beim Visitor Center.
Kurz hab ich überlegt, das alles um eine Nacht zu verschieben,

Ist er nicht wunderschön?

Ist er nicht wunderschön?

zumal mich der Vulkan mit hinreißendem Anblick angelockt hat, als ich dann aber dort war, sich anfing, hinter Wolken zu verstecken. Die Frau im Visitor Center hat mir aber davon abgeraten: da am Montag hier in Neuseeland Feiertag ist (Happy Birthday, Queen), erwarten sie ungefähr 30 Leute in der Hütte für die Nacht später – leider hat es nur 16 Betten, der Rest muss also auf dem Boden schlafen, da man die Hütte nicht in dem Sinne buchen kann (man bezahlt zwar ein Hutticket, das könnte man aber auch wann anders oder in einer anderen Hütte benutzen. Es läuft nach ‚wer zuerst kommt, mahlt zuerst‘.). Das war überzeugend genug, auf ein Wettrennen mit 29 anderen hatte ich keine Lust. Die Tagesetappe war mit 5-7h angegeben. Da um kurz nach 5 die Sonne wieder untergeht und es schon nach 10 war, hatte ich also nicht viel Puffer.
Der Weg begann mit einer knappen Stunde Treppensteigen, immer schön den Vulkan hoch, bevor ich an den ersten kleinen Schneestellen vorbeikam und der Weg ein kleines bisschen flacher wurde. Der Weg war vermutlich der anspruchsvollste, den ich hier in Neuseeland bisher gegangen bin, des Öfteren musste ich den weiteren Weg suchen und aufpassen, nicht aus Versehen einem (trockenen) Bachbett zu folgen. Nicht zu vergleichen mit den Great Walks, deren Wege immer tipptopp gepflegt sind, die man wunderbar mit den Augen sonstwo laufen kann – hier war gut, dass die Wolken um den Vulkan immer mehr zuzogen, so war man wenigstens nicht abgelenkt und konnte sich auf das Gehen konzentrieren. Ansonsten war das natürlich ein bisschen nervig, von dem wolkenlosen Wetter war rund um den Vulkan nichts zu merken – man könnte aber unter den Wolken Richtung Küste sehen, dass dort mal wieder die Sonne schien… Tssss….
Einmal hat ein Geröllfeld ganz schön für Herzklopfen bei mir gesorgt: imagenachdem ich noch schön die Warnung fotografiert habe, bin ich, ganz vorbildlich zügig ohne zu hetzen, losgegangen. Aber dann fingen vor mir an, irgendwelche circa faustgroßen Steine den Hang hinunter zu rollen und zu hüpfen… Ohne erkennbare Ursache. Uiuiui… Der Spuk hörte wieder auf, aber ich war ziemlich froh, als ich dann auf der anderen Seite angekommen war… Das erste Stück des Tages war mit einem Schnitt von unter 2km/h angegeben – das spricht Bände über den Weg.
Nach dieser Etappe konnte ich dann auch einschätzen, wie ich in der Gesamtzeit so ungefähr lag, sah ganz gut aus. Mitwanderer habe ich den ganzen Tag keine getroffen: die paar, die am Anfang auch liefen, sind nur eine Tagestour gelaufen und irgendwann abgebogen. So habe ich weit und breit nichts gehört, wenn ich mal stehengeblieben bin: keine Autobahn, keine Leute, nicht mal Vögel, da die Strecke größtenteils über der Buschgrenze verlief. Manchmal fast ein bisschen unheimlich… Die Diva von einem Vulkan hatte sich übrigens in der Zwischenzeit komplett in Wolken versteckt. Da ich die besseren Aussichten aber sowieso erst für den zweiten Tag erwartete war das nicht weiter dramatisch. Am ersten Tag lief man an der Flanke des Vulkans entlang, bevor man gegen Ende über ein kleines ‚Tal‘ auf die Flanke eines älteren Vulkans wechselte, von dort sollte man dann gute Aussichten auf den jetzigen Vulkan haben. Der Taranaki hat ältere Geschwister in einer Linie, je weiter weg, desto älter (und kleiner).
Das wechseln der Vulkane ging über eine Ebene, eine Schwemmlandschaft, vielleicht am ehesten ein Hochmoor. Gebildet hat sich das, als ein Fluss durch einen Lavastrom blockiert wurde und eine Weile gebraucht hat, bis er sich seinen Weg durch das Gestein wieder geschaffen hat. Der Fluss mäandriert jetzt gemütlich durch dieses Moor. Und natürlich ging es auf der anderen Seite wieder übe Treppen, die eigentlich mehr Leitern waren, den Hang hinauf. Ächz. Jedenfalls beendete ich meinen raten Tag nach 5h20min inkl. Pausen auf der Hütte. Dort erwartete mich schon ein neuseeländisch-holländisches Pärchen, die die Runde als Dreitagestour machten (die letzte Etappe ist dabei die gleiche, die für mich erste Etappe wird in 2 Tage aufgeteilt). Späte kamen noch ein französisches und ein amerikanisches Pärchen dazu. Alle Mitwanderer waren sehr nett, so hatten wir einen netten Abend gemeinsam. Nach Sonnenuntegang sind wir dann gemeinsam nochmal 5min zurück hoch auf eine Art Plateau und natürlich, jetzt, wo dunkel war, konnte man den Vulkan gut erkennen. Der Schweinehund! Wir versuchten ein paar schöne Bilder zu machen, aber nachdem ich die Bilder von dem Franzosen mit Ahnung und Profi-Ausrüstung gesehen hab, hab ich aufgehört. Ich hoffe sehr, dass er sein Versprechen einlöst und mir 1-2 Bilder schickt, die waren nämlich der Oberhammer und würden euch vielleicht endlich mal ein Gefühl dafür geben, wie der Sternenhimmel hier in einer klaren, mondlosen Nacht aussehen kann mit der Milchstraße, dem Kreuz des Südens (und in dem Fall noch dem Vulkan!). Aber ich bin stolz auf mich, das Hochgehen war nämlich auf meinen Impuls hin, ich wollte nochmal hoch und einen Blick auf den Vulkan werfen und die anderen haben sich dann nach & nach angeschlossen.
Die Nacht war ziemlich kalt, bin ein paar Mal frierend aufgewacht. Ich schlafe die erste Nacht in solchen Hütten/Massenlagern eh immer nicht besonders gut und die Kälte hat es nicht besser gemacht. Aber irgendwie ging die Nacht rum, ich war jedenfalls froh, die Wärmeflasche nicht wegrationalisiert zu haben!
Am nächsten Tag, es war ja wieder hell, hat es dann wieder Wolken um den Vulkan gehabt, klar. So beschloss ich, ein bisschen in der Hütte zu vertrödeln und ihm die Chance zu geben, sich wieder von den Wolken zu befreien. Um 9 bin ich dann aber doch los, ich rechnete mit 5-6h Wanderzeit. Den Beginn lief ich dann tatsächlich im Nieselregen und war froh, meinen außen angeschnallten Schlafsack zusätzlich in eine wasserdichte Hülle gepackt zu haben. Woher dieser Regen kam, wo doch jeden Tag strahlend blauer Himmel und 0% Niederschlag angesagt war, wissen die Wettergötter. Aber irgendwann machte es zumindest kurz auf und ich konnte nochmal ein paar Blicke auf den Taranaki werfen – er ist soooo schön! imageDer Weg war wieder sehr anstrengend zu gehen, immer steil hoch, runter, hoch, runter. Die letzten 2km gingen auf der Teerstraße hoch zurück zum Visitor Center. Und was muss man mal gemacht haben in Neuseeland? Richtig, hitchhiken, unser trampen (was hier wiederum wandern bedeutet). Und so nutzte ich das Auto, das direkt kam, als ich aus dem Wald gestolpert bin und hab mal meinen Daumen ausgestreckt. Die haben direkt angehalten und ich konnte mich, obwohl dreckig wie Sau, auf den Rücksitz neben ihre beiden Rucksäcke quetschen – ein Glück, dass ich nur meinen kleinen Rucksack dabei hatte, mit einem größeren hätten sie wohl nicht gehalten, weil kein Platz. So beendete ich die zweite Etappe nach knappen 5h ganz entspannt. 1A! 😄
Die ganze Runde hatte ca. 1200hm und 24km nach Planung – genauere Daten gibt’s nicht mehr, so ohne GPS. 😉
Die Runde hat sich, trotz des unerwartet ’schlechten‘ Wetters (trotzdem habe ich mir irgendwann Sonnenbrand im Gesicht geholt?!) und der langen Anfahrt definitiv gelohnt. Jeder einzelne Blick auf den Vulkan macht die Mühen vergessen… Und auch, dass ich so eine zweitägige Wanderung alleine gemacht und gepackt hab, ist ein gutes Gefühl.

zum Abschluss noch eine schöne Maori-Legende zum Taranaki, gemopst aus einem Erdkundestudiumbuch der Uni Bonn:

image

Nach einem Belohnungskaffee und einem Abstecher zur „Te Rewa Rewa Brücke“ (Wahrzeichen New Plymouths, da haben sie die Architekten aber zugegebenermaßen auch mal was schönes einfallen lassen) fuhr ich dann noch ein gutes Stückchen Richtung Norden. Gestern, am Sonntag, fuhr ich dann den Rest in Richtung Bay of Plenty. Hier bin ich jetzt in Maketu bzw. Te Puke, dem Kiwizentrum Neuseelands, und versuche, einen Job auf einer Plantage, bzw. wenn nicht, dann in einem Packhouse, zu ergattern. Marie & Pollmi haben mir noch die Nummer ihres Supervisors gegeben, bei dem sie November und Dezember letzten Jahres gearbeitet haben. Den habe ich gestern Abend angeschrieben. Wenn ich Glück habe, ist es schon morgen so weit, per SMS habe ich die Zusage, dass ich anfangen kann. Wenn ja, war es wieder ziemlich einfach. Ansonsten sind hier auf dem Campingplatz noch viele andere Leute, die arbeiten und mir vielleicht Nummern geben können.
Ich bin jetzt guter Dinge, nachdem ich gestern Abend nach der Ankunft wieder ziemlich niedergeschlagen war. Ich muss immer wieder feststellen, dass es für mich schwer ist, mich in einer komplett neuen Umgebung, mit neuen Leuten, ohne genau zu wissen, wie es weitergeht, einzufinden. Morgens und tagsüber ist alles fein, aber abends, da ist es schwierig für mich und ich würde mich am liebsten verkriechen. Geht ja aber nicht, ich muss über meinen Schatten springen und mit den Leuten in Kontakt treten, wenn ich von ihren Kontakten profitieren möchte.
Aber gerade jetzt geht es mir sehr gut, ich sitze auf einem Trampolin in der Sonne mit T-Shirt und hochgekrempelter Hose und genieße das schöne Wetter und schau einem ausgebüchsten Schaf auf seinem Weg über den Campingplatz zu. imageDie kommenden Nächte sollen auch nicht mehr so kalt werden, wahrscheinlich zweistellig, was ein himmelgroßer Unterschied zu den vergangenen fast- und ganz-Frost-Nächten sein wird.
Jetzt muss es nur noch mit dem Job klappen, drückt mir die Daumen!

3 Gedanken zu „Die Diva Taranaki

  1. Hi Nicole! Toll was du so alles machst! …und sehr mutig! Ich bin auch gerade am ‚Konditionswandern‘ … sollte man dochwohl meinen dass ich daven jede Mege hätte, aber mit Rucksack auf dem Buckel ists halt nochmal was anderes. Ich war am vergangen WE 35km rund um Geroldseck/Reichenbach/Seelbach unterwegs, mit (für unsere Regio) knackigen Höhenmetern. NÄchstes WE gleiches Spiel bei Elzach / Yach aber NUR 🙂 30km. Ziel der Übung ist eine einwöchige Fernwanderweg von Oberstdorf nach Meran im August und da sollte man das Rucksackschleppen ein bißchen gewohnt sein. Ansosten wünsche ich dir bei deiner Jobsuche viel Glück…und pass auf dich auf – LG IRene

    • Respekt!
      Und ich bin mir sicher, dass du (auch diese) sportliche Herausforderung wieder locker meistern wirst…
      Viel Spaß beim weiter ‚einwandern’…

  2. Hey Mädel, dein Bericht von deinem „Alleingang“ um den Vulkan beruhigt uns Eltern natürlich nicht gerade!!!!!!!!!!!! Was da alles hätte passieren können ohne, dass jemand was mitbekommt?! Ich glaub dir schon, dass du ganz stolz bist das geschafft zu haben. Wir drücken dir fest die Daumen für einen neuen Job und neue nette Bekannte (hat bisher ja auch immer geklappt)
    LG Mama &Papa

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